Inhalt
- Ein Ausblick
- Technische Produktdokumentation (TPD)
- Toleranzwerte für allgemeine Spezifikationen
- Variable Toleranzwerte für Allgemeintoleranzen
- DIN 2769 – Ein Vorstoß auf nationaler Ebene
- Zusammenfassung
DIN EN ISO 22081 – Ersatz für die DIN ISO 2768-1/2?
Zu Recht finden Normen zur Vergabe von Allgemeintoleranzen, gelegentlich auch als Freimaßtoleranzen bezeichnet, einen häufigen Einsatz in der täglichen Konstruktionspraxis. Es gibt vielfältige Normen für Allgemeintoleranzen. Sei es für Kunststoffform-/Gussteile, Schweißprozesse und andere mehr. Für spanend oder umformend hergestellte Metallteile gibt es die DIN ISO 2768. Sie findet im besonderen Maße Verwendung, um nicht individuell tolerierte Geometrien entsprechend zu spezifizieren.
Ablösung der 30 Jahre alten DIN 2768
Die letzte Veröffentlichung der DIN ISO 2768 stammt aus dem Jahr 1991. Bei aller Nützlichkeit dieser Norm(en) steht dieser lange zeitliche Abstand auch dafür, dass sie sich nicht ohne weiteres in das Normengefüge und die Konzeption der geometrischen Produktspezifikation (GPS) einfügt. Dies betrifft insbesondere den Teil 2 der DIN ISO 2768, welcher bekanntlich die Allgemeintoleranzen für ausgewählte Merkmale für Form und Richtung beinhaltet. Dieser Umstand ist für die internationalen Normungsgremien (ISO/TC 213) Anlass, die DIN ISO 2768 durch eine ISO GPS-Norm, der ISO 22081, zu ersetzen. Ein Vorhaben, das schon seit Jahren in Bearbeitung ist und nun vor einen vorläufigen Abschluss steht. Eine Veröffentlichung der DIN EN ISO 22081 ist für das Jahr 2021 vorgesehen.
DIN EN ISO 22081 – Ein Ausblick
Aktuell liegt die DIN EN ISO 22081 [kurz: ISO 22081] in der Fassung prEN ISO 22081:2019 vor und ist ausdrücklich als ein Entwurf zur Prüfung und Stellungnahme gekennzeichnet und hat somit noch keine allgemeine Gültigkeit. Auch wenn Änderungen zu erwarten sind, zeigt diese Prüffassung schon sehr gut, was der Inhalt der zukünftigen DIN EN ISO 22081 sein wird.
Der Anwendungsbereich der Norm bezieht sich auf die Vergabe von allgemeinen geometrischen sowie Maßspezifikationen, also Toleranzen für:
- Lineare Größenmaße (siehe auch DIN EN ISO 14405-1)
- Winkelmaße (siehe auch DIN EN ISO 14405-3)
- Geometrieelemente mit dem Merkmal Flächenprofil
In Bezug auf den letzten Punkt taucht in der Norm der Begriff der „Integralen Geometrie“ auf. Dieser bezeichnet alle physisch existierenden, anfassbaren Geometrien (Oberflächen). Nur integrale Geometrien können mit Allgemeintoleranzen versehen werden. Sie stehen in Opposition zu den abgeleiteten Geometrieelementen, wie zum Beispiel den Mittelachsen.
Die in diesem Sinne allgemein tolerierten integralen Geometrieelemente werden mit der Eintragung für die Merkmale Maß, Form, Ort und Richtung kontrolliert.
Technische Produktdokumentation (TPD)
Angegeben werden sollen die allgemeinen Spezifikationen für Maße und Geometrien in den technischen Produktdokumentationen (TPD, siehe Abbildung 1). Diese dort getroffenen Spezifikationen gelten für alle nicht individuell tolerierten Maße und Geometrien.
Toleranzwerte für allgemeine Spezifikationen in der DIN EN ISO 22081
Ein wichtiger Aspekt ist die Frage nach den Toleranzwerten, mit denen die Allgemeintoleranzen versehen werden. Im Normenentwurf ist klar formuliert, dass der Entwickler/Konstrukteur (Designer) verantwortlich dafür ist, dass:
- funktionale Anforderungen sichergestellt sind,
- die geometrischen Merkmale vollständig und eindeutig spezifiziert sind und
- das gesamte Werkstück vollständig spezifiziert ist.
In diesem Sinne sind der jeweilige Designer bzw. das Unternehmen dafür verantwortlich, konkrete Werte für die allgemeinen Spezifikationen zu definieren.
Gemäß des hier referenzierten Normenentwurfs könnte eine Zeichnungseintragung hinsichtlich der Allgemeintoleranzen wie folgt aussehen (siehe Abbildung 2):
Variable Toleranzwerte für Allgemeintoleranzen gemäß DIN EN ISO 22081
Die in der technischen Produktdokumentation eingetragenen Toleranzwerte können für geometrische sowie für Größenmaße wie im oben gezeigten Beispiel mit konstanten Einzelwerten belegt werden. Alternativ können auch Tabellen mit maßabhängigen Toleranzwerten eingeführt werden (siehe Abbildung 3).
Wenn diese Vorgehensweise aus der DIN ISO 2768 schon bekannt ist, wird in der neuen Norm auch die Möglichkeit eingeräumt, geometrischen Maßen über die Flächenprofilform variable Toleranzwerte zuzuordnen. Als Bezugsgröße können die Maße (im Sinne der räumlichen Ausdehnung) des geometrischen Elementes dienen. Aber auch der Abstand des zu tolerierenden geometrischen Elementes inRelation zu einem Bezugssystem kann als Skalierungsmaßstab herangezogen werden. In diesem Fall werden die Abstände über theoretisch exakte Maße (TED) ausgehend von einem Bezugssystem beschrieben. Sei es, in dem die TEDs direkt in der Zeichnung eingetragen sind oder aber in der TPD darauf verwiesen wird, diese dem CAD-Datensatz zu entnehmen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Eintragung hinsichtlich der Allgemeintoleranz im TPD ein Bezugssystem berücksichtigt (s. oben).
Wie die tabellarische Zuordnung von allgemeinen Spezifikationen für geometrische Maße im Detail aussehen könnte, zeigt der vorliegende Entwurf nicht. Insbesondere werden auch keine standardisierten Toleranzwerte genannt, die den Designer unterstützen könnten. Wie oben schon erwähnt, wird wohl auf die Eigenverantwortlichkeit des Designers gesetzt. Ferner ist nicht eindeutig gezeigt, an welcher Stelle des geometrischen Elementes die Maßbestimmung angreifen soll, wenn es sich zum Beispiel um eine Freiformfläche handelt.
DIN 2769 – Ein Vorstoß auf nationaler Ebene
Der zur Prüfung vorgelegte Entwurf zur ISO 22081 sieht zwar die Vergabe von individuellen Toleranzen vor, welche tabellarisch in der TPD angegeben werden können. Allerdings basiert diese nicht auf standardisierten Werten, auf die im Zuge des Vergabeprozesses zurückgegriffen werden könnte. Vielmehr soll jeder Designer, jedes Unternehmen eigene Standards und Werte festlegen.
Weil diese Vorgehensweise nicht im Interesse der deutschen Delegation im Normenausschuss liegt, wurde auf deutscher Seite entschieden, auf nationaler Ebene eine Norm zu entwickeln, die Tabellen mit standardisierten Toleranzen bereithält. Diese Norm soll dann die Bezeichnung „DIN 2769:2020-09 Geometrische Produktspezifikation (GPS) – Allgemeintoleranzen – Toleranzen für Längen- und Winkelmaße mit unspezifizierter Toleranzeintragung“ [kurz: DIN 2769] tragen und wäre immer in Verbindung mit der ISO 22081 anzuwenden. Die Grundausrichtung der DIN 2769 ist es, anhand von Toleranzklassen Werte für Allgemeintoleranzen zu definieren, die die Anforderungen der ISO 22081 ergänzen und konkretisieren.
Wichtig ist der Verweis innerhalb der DIN 2769 darauf, dass die in den Tabellen angegebenen Werte unabhängig sind:
- von der Fertigungstechnologie
- vom Material
- von der Konfiguration (Einzelteil oder Zusammenbau)
Zum Redaktionsschluss für diesen Beitrag waren die finalen Werte noch nicht festgelegt. Die in dem vorgelegten Entwurf genannten Toleranzwerte für lineare Größenmaße lassen sich nicht so ohne weiteres mit denen aus der Vorgängernorm vergleichen, weil nun 10 Toleranzklassen anstatt der bisherigen vier eingeführt sind. Auch hinsichtlich der Nennmaßbereiche gibt es einige Änderungen (siehe Abbildung 4).
Bezüglich der Werte für Winkelgrößenmaße ist eine Vergleichbarkeit zur DIN ISO 2768-1 eher gegeben, obwohl auch hier Unterschiede bestehen (siehe Abbildung 5). Die Standardisierung von Toleranzwerten für integrale Geometrieelemente wird in der neuen nationalen Norm anhand von Toleranzklassen, sie reichen von A (feinster Stufe) bis K (grobste Stufe), vorgenommen (siehe Abbildung 6). So könnte eine Eintragung im Anwendungsverbund von DIN EN ISO 22081 mit DIN 2769 mit standardisierten Allgemeintoleranzen im TPD wie folgt aussehen (siehe Abbildung 7): Die Angliederung der DIN 2769 an das ISO-GPS-System führt hier zu weitreichenden Veränderungen. Diese machen die Norm DIN 2769 zunächst transparenter und leichter verständlich. Es bleibt nur offen, ob sie sich in der reduzierten Form in der Praxis bewährt.Zusammenfassung
Eine Modernisierung der DIN 2768-1/2 ist sicherlich notwendig und wird nun mit der DIN EN ISO 22081 demnächst Realität. Mit Veröffentlichung der neuen Norm im Jahr 2021 bleiben mit dem Kenntnisstand von heute (Dezember 2020) aber auch manche Fragen für die praktische Anwendung offen. Ganz wesentlich sind es Fragen um die variable Zuordnung von Toleranzen, insbesondere für geometrische (integrale) Geometrieelemente. Die beigeordnete neue nationale Norm DIN 2769 hilft zumindest bei der Vergabe standardisierter Toleranzwerte. Inwieweit diese die notwendige Akzeptanz bei den Unternehmen und Anwendern findet, die international agieren, wird sich spätestens mit der Veröffentlichung zeigen. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für die DIN EN ISO 22081.
Quellen
- prEN ISO 22081:2019 (D)
- E DIN 2769:2020-09
- ISO GPS News Meeting 2020, Dresden / Vortrag Hr. Engelke: Zurückziehung ISO 2768-2 und was nun?